25. März 2021: Choum & Beni Amira
AYSCHE

Die gestrige Jägermeister-Runde endet mit überschaubaren Vorkommnissen. Unser Lager haben wir am Rande der Bande aufgeschlagen und somit fernab jeglicher Zivilisation gemütlich noch den einen oder andern Flying Hirsch geschlürft. Allerdings sollte man das Thema auch nicht unterschätzen. Mauretanien ist nicht Malle und auf den Besitz von Alkohol stehen 3000 Euro Strafe. Da kommt man beim erwischt werden mit einer Schweinesalami noch vergleichsweise günstig weg. Dafür wäre dann ein Obolus von rund 300 Euro zu entrichten. Zumindest im Vergleich zu den 3000 Euro sind die anderswo obligatorischen Peitschenhiebe zwar eine schmerzliche, aber preisgünstige Alternative.
Preisgünstig sind hier auch Autos der Marke Mercedes. Locker 9 von 10 Zweiachsern wurden irgendwann einmal, sagen wir von 35-40 Jahren in Untertürkheim gebaut und haben dann irgendwann über Osteuropa den Weg nach Mauretanien gefunden. Der Verkehr selbst hält sich zwar in Grenzen, aber am Ende des Marktes in Atar findet das Shoppingerlebnis sein Ende und die waren werden im Kofferraum verstaut. Und dann sieht man sie, die unüberschaubare Armada der Firma mit dem Stern – gerade so, als würde man am Werksgelände beim Daimler vorbeigehen. Wie lange die robusten Gefährte noch im Einsatz sind ist reine Spekulation – die Chinesen liegen bereits auf der Lauer.
Heute geht es zur marokkanischen Grenze. Was politisch auch nicht korrekt ist, aber lassen wir das jetzt. Über Stock und Stein Richtung Norden erreicht man Choum. Ein kleines Nest, aber mit Bahnhof. Denn hier kommen die Eisenbahnzüge einer ganz besonderen Attraktion vorbei. Der mauretanische Eisenerzexpress ist einer der längsten Züge der Welt. Im Norden des Landes wird Eisenerz abgebaut, das entlang der Grenze zur Küste nach Nouadhibou transportiert wird. Zusätzlich noch alles andere, was der lokale Güterverkehr so hergibt: Autos, Wasser, Öl.
In der monotonen Landschaft kommt der Zug erst so richtig zur Geltung. Zunächst flackert in der Entfernung ein Licht auf, dann rollen auf einer Stecke rund 3 Kilometer die Waggons vorbei. Angetrieben von drei überdimensionalen Diesellokomotiven rauscht der unendlich wirkende Güterzug entlang. Der heutige Zugverlauf wirkte eher unspektakulär, aber das kann und soll sich morgen ändern. Obwohl wir die Bahnstrecke durch die Wüste entlang fahren, gilt das heutige Interesse nicht der Bahn, sondern mehreren Monolithen, die sich in den letzten Jahrtausenden gebildet haben: dem Ben Amira und der Aysha. Klingt wie Ayshe, ist aber ein Berg und nicht die Bedienung der benachbarten Döner-Bude.
Der größere der beiden, der Beni Amira ist kaum zu sehen, obwohl wir direkt daran vorbeifahren. Ursache sind heftige Sandwinde, die gerade zu durch die Wüste peitschen. Bei einem Stopp bekomme ich die Tür des Pickups nicht auf, bei einem anderen Stopp werden reist der Wind die Tür derart auf, das ich nicht nur hinaus geweht, sondern die steinige Böschung gleich mit hinunter geschleudert werde. Es sind nicht die ersten, aber die schmerzhaftesten Blessuren bis dato. Ans Monolitenklettern ist da nicht mehr zu denken. Wobei sich der Spaß bei den 35-40 Grad ohnehin in Grenzen hält. Mangels Blick zum Beni Amira bleibt ohnehin nur der Rundgang um die Ayshe, den man in einer Stunde locker erledigen kann.
Es sei denn, man hält sich bei den überall lauernden Skulpturen auf, dann dauert der Rundgang deutlich länger. Vor rund 20 Jahren trafen sich hier Bildhauer aus aller Welt und lieferten sich einen Wettstreit zum Thema Frieden. Ein sicherlich gelungener Ort, zumal die Grenzregion seit Jahrzehnten ein Konfliktherd ist. So reiht sich Adler an Schriftrolle, abstraktes an inhaltlich greifbares. Über die Herkunft der Bildhauer findet man wenig, nur die Chinesen haben in großen Lettern ihren Onkel Otto darunter gekritzelt. Neben der Friedenstaube prangt in gleich großen Lettern eine Variante von Made in China.
Der Nachmittag ist für die Aisha reserviert. Man kann sie umrunden, besteigen oder ihr den Hof machen. Während die Umrundung durch zwei Kamele zumindest etwas aufgelockert wird und auf halber Strecke ein Totenkopf a la Sankt Pauli oder sogar ein Seehund-ähnlicher Fels aus dem Wüstenboden ragt, ist die Besteigung mit einem Höhenunterschied von 250 Metern schon eine Herausforderung. Auch der Abstieg hat es in sich, läuft man doch wie auf dünnen Quarzscheiben jederzeit Gefahr einzubrechen. Und für die Freunde des schlüpfrigen Humors: die Ayshe hat auch ihre Schamlippen, die man aber nur knipsen kann.
P.S.: Heute spricht der mauretanische Volksmund: Choum ist ein Städtchen mit vielen Tankstellen, von denen manchmal auch eine Benzin hat.
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