Der Mauretanien-Blog

27. März 2021: Nouadhibou – Cap Tafarit

GOLDSTRAND

La Mer. Wer kennt sie nicht, die französische Schnulze. Doch das genau sind meine ersten Worte, als Ich in Nouadhibou aus dem Fenster schaue. Nach einer Woche haben wir wieder den Atlantik erreicht. Nicht dass Nouadhibou als Bade- oder Luftkurort jemals Bedeutung erlangen würde, aber eine Stadt am Meer ist doch etwas anderes als eine alte Karawanensiedlung in der Wüste. 

Der südliche Zipfel ist das Hafenviertel, das eigentlich lediglich dem Verfrachten von Eisenerz dient. Insofern herrscht am Bahnhof auch reges Treiben. Männer, die im Sand liegend gewartet haben, springen auf. Kinder laufen schreiend zum Zug, manche aber mit solch schweren Säcken, Kisten und Bündel auf dem Kopf, dass sie sich kaum aufrecht halten können. Kinder als Hilfsarbeiter, das Bild ist leider Alltag in Mauretanien, zumal Eisenerz, also Bergbau der einzige Industriezweig ist, mit dem hier wirklich Geld verdient wird. Frauen in bunten Gewändern bieten lauthals Wasser, Kekse, Eier, Zigaretten, Taschentücher und andere Waren an, es ist die vermutlich einzige Gelegenheit des Tages, ein Geschäft zu machen. Im Hafen wird das Erz entladen und von dort nach Europa und wer hätt’s gedacht vor allem nach China verschifft. Die Stadt ist auch die erste, wo ich vermehrt chinesische Schriftzeichen an Fabriktoren oder Läden in der Innenstadt sehe. Es ist wie überall in modernen Kolonialismus. Wo es Rohstoffe gibt und Geld zu verdienen ist, steht Peking schon in den Startlöchern. 

Die gestrige Diskussion mit Baba und Salek, brachte die mauretanische Sichtweise einiger weiteren Themen hervor. Die beiden Geschäftsleute kennen die Gegend und ihre Probleme aus der Westentasche. Sehr schnell kommen wir auf das Thema Marokko und Polisario zu sprechen. Denn wir sind hier in einer Grenzregion und diese Grenze ist seit den 70er Jahren umstritten. Die einstige West-Sahara zwischen Marokko und Mauretanien war bis 1975 Spanische Kolonie. Zunächst teilten beide das Gebiet unter sich auf, später verzichtete Mauretanien auf seine Ansprüche. Marokko nutzte das Vakuum aus und schickte Truppen in die komplette Westsahara.

Friede, Freude, Safrankuchen sollte man meinen, doch gibt es ein kleines Problem. Die Saharauis, die das Land ähnlich der Palästinenser in Palästina beanspruchen, sind die Dummen und vegetieren staatenlos an der Ostgrenze oder in Algerien dahin. Viele sind auch nach Europa geflohen. Marokko hat sich die phosphatreichen Böden mittlerweile gesichert. Drei Meter hohe Sandwälle umzäunen die komplette Westsahara. Deshalb auch die vielen Minenfelder. Vielleicht hätten die Mauerbauer Walter Ulbricht und Donald Trump hier informieren sollen. Sand ist günstiger als Zement und Stacheldraht und scheint zu wirken. Die Probleme der Saharauis interessieren niemand mehr auf diesem Globus.

Wir fahren entlang der Atlantikküste die halbe Strecke Richtung Nouakchott. Auf der Asphaltpiste geht es flott voran. Seit die Strecke vor wenigen Jahren gebaut wurde, hat sich viel aber doch ärmliche Infrastruktur angesiedelt. Tankstellen, Motels, die nach Ziegenstall aussehen und ein paar quirlige Waren- und Transportumschlagsorte. Hier wird Geld verdient, was schon daran zu erkennen ist, dass die alten, aber robusten Mercedes-Transporter schicken Toyota-Flitzern gewichen sind. 

Irgendwann biegen wir über eine sandige Piste wieder Richtung Atlantik ab. Hier im Parc Nacional d‘Arguin gibt es vieles zu bestaunen, im Positiven wie im Negativen. Da ist die aus dem Norden vertriebene Vogelwelt, die aus der Quecksilber-verseuchten Umgebung von Chami geflüchtet sind. Denn hier ist der Goldrausch ausgebrochen, Handel und Infrastruktur wachsen, da jeder sein Glück mit einer Schürflizenz versucht. Alles noch sehr manuell in rund 2*2*3 Meter Löchern. Und das auf sandigem Boden. Den Rest kann man sich glaube ich denken. Natürlich bekommen wir keine Lizenz, obwohl das Schürfen grundsätzlich jedem freisteht. Inländern vermutlich oder jemand der Leser des Blogs probiert das mal aus und (Achtung Wortspiel!) versilbert sein Gold.

Auf halber Strecke hin zur Hauptstadt findet sich dann besagte Vogelwelt. Pelikane tummeln sich hier zu Haus zwischen Fischerbooten und verlassenen Hütten. Noch einige andere Vogelkolonien kann ich beobachten teils bis zu den Knien im Sand oder Sumpf. Irgendwie habe ich sogar manchmal das Gefühl, im schottischen Moor zu versinken. Auch Meeresschildkröten soll es in der Gegend geben, davon zeugt jedenfalls ein Panzer ohne Inhalt, der vor meinem Zelt am Strand angespült wurde. 

Vielleicht treffe ich heute Nacht noch einen Schakal vor der Haustür. Auch die sind in der Gegend weit verbreitet. Ansonsten denke ich nach einem doch eher ereignislosen Tag zeitig ins Zelt zu gehen. Es stürmt beträchtlich an der Küste, vielleicht bringt die Nacht noch die eine oder andere Überraschung. Wir werden es erleben. 

P.S. Schauspiel am frühen Morgen zwischen Pelikanen und Fischern. Die Pelikane treiben die Fische zusammen, schließlich hat man ja auch Hunger. Die Fischer haben das Nachsehen. Merke: der frühe Vogel fängt den Fisch.

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