Der Mauretanien-Blog

28. März 2021: Nouamghar – Cap Temeris

AN DER NORDSEEKÜSTE

Kalt. Stürmisch. Herbstwetter an der Ost- oder der Nordsee. Wer auf steife Brisen steht, der wird an der mauretanischen Atlantikküste seine helle Freude haben. Seit gestern Nachmittag sind die Temperaturen deutlich abgekühlt und der Wind pfeift um die Ohren. Gegenüber der Küste haben wir unser Camp aufgeschlagen und harren der Dinge, die da kommen. Doch das einzige, was kam, war ein richtiger Sturm, der Zelte durcheinander wehte. So glich die Nacht eher einem turbulenten Flug durch eine Schlechtwetterfront als einem gemütlichen Schläfchen.


Wir sind wie gestern schon geschrieben im Nationalpark Banc d’Arguin, den es seit 1976 an der Atlantikküste des Landes gibt. Nur 13 Jahre nach seiner Gründung schaffte er bereits die Aufnahme in die Liste der Weltkulturerbe der UNESCO. Grund ist dafür sind die vielen Zugvögel im Winter oder wir jetzt im angehenden Frühling. Der Küstenstreifen umfasst auch größere Seegebiete, in denen Schildkröten und Delfine zu Hause sind.

Der Tag zieht sich allerdings wie Gummi, zumal das Strandleben in der islamischen Republik auf null gefahren ist. Natürlich kann man ins Wasser, zumal die Kombination Strand mit angrenzender Wüste durchaus seinen Reiz hat. Was aber fehlt ist zumindest etwas Infrastruktur. Ansonsten ist die Küste ein Paradies für Vögel. Reiher, Kormorane, Pelikane und vieles mehr tummeln sich in der dann doch wieder biblischen Ruhe. Flamencos soll es auch geben, ich werde aber nur aus weiter Ferne darauf hingewiesen, selbst kann ich keine erkennen. An einem sumpfigen Ort krabbeln zudem Tausende von Krabben.

Nordseefeeling von vor 45 Jahren. Delfine oder so genannte Mönchsrobben suche ich vergeblich. Was soll auch ein Mönch in einer islamischen Republik, auch wenn er als Robbe daherkommt. Zudem schleichen nachts immer muntere Gesellen durch die Gegend. Besonders die Schakale streunen um die Zelte herum und schnüffeln nach Küchenabfällen. Beim Gang zur Toilette wundere ich mich daher nicht, wenn urplötzlich zwei Augen im Scheinwerferlicht meines Handys funkeln. Ansonsten sind die Freunde eher scheu, auch wenn der Name Schakal selbst auf etwas Furchterregendes schließen lässt. Furcht hatte aber nur das Tier, dass ich ihm die Fischreste zwecks Eigenbedarf vor der Nase wegschnappe.

Die Leute an der Küste sind Berber und leben wen wunderts vom Fischfang. Ich sehe allerdings nur kleine Fischerboote am Strand, die in kleinen Käfigen und Netzen auf die Jagd gehen. Zudem überall kleine Dörfer, die hier ihr ein- und auskommen haben. Was ich weder in der immerhin zweitgrößten Stadt des Landes, Nouadibou noch die komplette Küste entlang sehe, sind professionelle Boote. Immerhin liegen vor Mauretanien einige der ertragreichsten Fischfanggründe der Welt. Der Grund für die mickrige heimische Hochseeflotte ist einfach: hier fischt die EU. So haben die Fischer weder die Gerätschaften noch die Fische, um wirklich etwas zu verdienen. Stattdessen wurden bereits manche Boote umfunktioniert und bringen nun Migranten auf die spanischen oder portugiesischen Atlantikinseln. Noch Fragen?

Zudem gab es früher eine 500 Kilometer lange reine Sandpiste direkt am Strand, an der die Fischer ihre Ware direkt verkauften. Heute gibt es in einiger Entfernung eine Asphaltstraße. Die Fischer zogen samt ihrem Fisch in Richtung Verkehr, viele Dörfer verwahrlosten und machten die Wellblechhütten noch unbewohnbarer. Lediglich in einem Dorf sieht man etwas Leben, an den Zäunen hängen kilometerlang Trockenfische, die mich mit offenem Maul anstarren. Ich starre zurück, was bleibt mir anderes übrig.

Ein Highlight ist die Spritztour entlang der Küste. Hier gibt es Stichwort Nordsee auch Gezeiten, also Ebbe und Flut. Jetzt ist Ebbe und unser Fahrer lässt es richtig krachen. In einem Hölle Tempo surfen wir auf vier Rädern den Strand entlang, nur gestört vom Strandgut, was tagein tagaus anlanden gespült wird. Die unendlichen Weiten aus Nichts und noch mehr Nichts veranlassen mich am Abend nochmals zu einer Strandwanderung. Natur pur eben. Übernachtet haben wir übrigens auf einer steilen Düne, die sich hier bis an den Strand drängen.

Vielleicht noch ein Wort zum Abend. Der Mauretanier trinkt Tee, aber nicht so banal wie der Mitteleuropäer. Denn die Zubereitung folgt einer bemerkenswerten Zeremonie. Schon während des Aufbrühens überm Holzfeuer wird er ständig im hohen Bogen umgegossen: von der Kanne in kleine Gläser, von Glas zu Glas, wieder zurück in die Kanne. Schaum setzt sich allmählich an den Glasrändern ab, nimmt an Volumen zu, bis der „maître du thé“ ein schäumendes, stark gesüßtes Glas serviert. Könnte auch ein Glas Kellerbier sein. Könnte …

P.S. Apropos Kellerbier. Freudestrahlend wird mir gerade berichtet, dass der Beginn der Ausgangssperre von 21 auf 24 Uhr verlegt wurde. „Die Freude kann ich nicht ganz teilen“, entgegne ich. „Keine Kneipen, kein Nachtleben, kein Nix – ihr habt doch rund um die Uhr Ausgangssperre…“

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