Bistumsstruktur: Pfarrgruppe bringt neue Variante für Wickstadt/Dorn-Assenheim ins Spiel
Reichelsheim-Niddatal (hh.) „Der Pfarrgemeinderat der Pfarrgruppe Wickstadt/Dorn-Assenheim votiert einstimmig für den Anschluss der gesamten Pfarrgruppe an das Pfarreimodell Mitte des Dekanates Wetterau-West.“ Was so nach einem formellen Beschluss klingt, birgt einiges an Brisanz in sich. Nämlich die Herauslösung der Pfarrgruppe aus der Struktur des Dekanates Wetterau-Ost und damit eine Alternative zu dessen Plänen als Teil einer bistumsweiten Neustrukturierung. Der von Bischof Dr. Peter Kohlgraf initiierte Pastorale Weg soll unter anderem die Frage der Austeilung bestehender Ressourcen klären, Dabei werden neben seelsorgerischen derzeit vor allem organisatorische Fragen diskutiert. Für Pfarrer Kai Wornath ein schmerzhafter, aber unumgänglicher Prozess.

Denn das Bistum Mainz will sein Gesicht verändern. Aus 134 Pfarreinheiten sollen bis spätestens 2030 50 Pfarreien werden. Die Zahl der Katholiken geht merklich zurück, die Kirchensteuereinnahmen sinken. Gleiches gilt für die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter, allein bei den Priestern von 198 im Jahr 2018 auf 104 im Jahr 2030. Das heißt im Klartext: Die Kirche muss sparen. Vor allem soll die Infrastruktur in den Gemeinden verschlankt werden. Pfarreien schließen sich zusammen, Dekanate werden aufgelöst, Strukturen müssen neu gedacht und gelebt werden. Auch Immobilien sollen umgenutzt, im Zweifelsfall veräußert werden
Eine Projektgruppe stellte kürzlich mehrere Modelle vor: ein gemeinsamer pastoraler Raum aus den aktuell 11 Pfarreien des Ost-Dekanats mit einer Reichweite bis Gedern, Schotten oder Büdingen oder eine Zweiteilung in Nord-Süd oder Ost-West-Achse. Das freilich stößt in der Pfarrgruppe auf Kritik. Es gebe im Dekanat kein natürliches Zentrum, die Dekanatsebene selbst habe für die Glaubenspraxis vor Ort kaum Bedeutung. Im Gegenteil: die Menschen in der Pfarrgruppe orientieren sich in Richtung Westen. Wornath ergänzt spitz: „Auf die Frage, wann Sie zuletzt in Schotten waren, antworten die Meisten ‚Noch nie‘.“
„50 Pfarreien in 20 Dekanaten, viel Spielraum bleibt da nicht“, weiß auch Wornath. Die Ein-Pfarrei-Lösung mit Distanzen von über 35 Kilometern sei nicht praktikabel, bilde die Lebenswirklichkeit der Menschen in der Pfarrgruppe nicht ab. Die Beteiligung an einem Verbund im Dekanat Wetterau-West sei hingegen eine realitätsnahe Variante, in die sich die Pfarrgruppe mit Kita oder eigenen Wallfahrten einbringen wolle.
Eine Analyse des Pfarrgemeinderats unterstreicht dies. Die „Westbindung“ gelte für den Schulbesuch, Arbeitsplatz oder die Nutzung von Freizeitangeboten gleichermaßen. Auch der Kontakt mit der politischen Verwaltung oder die Inanspruchnahme der Infrastruktur wie Arztpraxen oder Krankenhäuser legten dies nahe. Existierende Freundschaften, Vereinsstrukturen, ein funktionierender Personennahverkehr optimieren zudem die Chancen für eine effiziente Jugendarbeit.
All dies sei Voraussetzung, das bestehende Gemeinden weiter Orte eines lebendigen christlichen Lebens bleiben. Die Kirche wolle sich nicht aus aus der Fläche zurückziehen. Die neuen Pfarreien seien zunächst Verwaltungseinheiten, die das Leben in den Gemeinden vor Ort unterstützen und nach einem festen Schlüssel auch pastorale Ansprechpartner behalten sollen.
Denn gestiegene Anforderungen machen eine Professionalisierung des Verwaltungsbereiches erforderlich. Die Trägerschaften von Kitas oder vergleichbaren kirchlichen Einrichtungen würden beispielsweise auf die neu zu gründenden größeren rechtlichen Einheiten übergehen.
Auch Wornath klagt über zu viel Bürokratie, wünscht sich mehr auf die eigentlichen seelsorgerischen Arbeiten vor Ort zu konzentrieren. „Weniger Verwaltung und mehr Zeit für die Menschen“ sei unbestritten der Vorteil der neuen Struktur.
Diese biete über eine bessere Vernetzung auch Chancen. Erstkommunionvorbereitung oder Firmkatechese seien beispielhaft Felder, die mit neuen Ideen gefüllt werden können. Dabei soll es in den bisherigen Pfarrgemeinden weiterhin ein Gemeindeleben geben, das Begegnungen ermöglicht und fördert. Insofern müsse auch die ehrenamtliche Arbeit in einer Umgebung möglich sein, der mit dem Sozialraum der Menschen vor Ort weitgehend übereinstimmt. Die Fahrtstrecken bleiben überschaubar, das Zeitbudget wird geschont. Kurzum, so Wornath, „die Hemmschwelle, sich in und für die neue Pfarrei einzusetzen, wird gesenkt.“
Umsomehr zeigt sich der Pfarrgemeinderat jetzt enttäuscht, dass die „so offensichtlichen sozialräumlichen Beobachtungen keinen Widerhall in den vorgestellten Modellen gefunden haben.“ Das Gremium erwarte von den Verantwortlichen im Dekanat eine ergebnisoffene Lösung und bezieht sich auf die Bistumsleitung. Weihbischof Udo Bentz hatte explizit darum gebeten, auch dekanatsübergreifende Pfarreizuschnitte zu prüfen.
In einem einstimmigen Votum bitten die Vertreter der Pfarrgruppe Bischof Kohlgraf nun um Unterstützung: „Gerne bringen wir uns auf dem Weg in diese Gemeinschaft ein, damit der pastorale Weg für alle ein Erfolg und zukunftsweisendes Modell wird.“
Bis November sollen in allen Dekanaten Pastoralkonzepte erstellt, der Zuschnitt der künftigen Pfarreien erfolgt sein, ab 2022 Kooperationsräte gebildet, spätestens 2030 die Reformen umgesetzt und die bestehenden Pfarreien aufgelöst sein.

Kommentar verfassen