23. März 2021: Ouadane
TANKSTELLEN

Es gibt in Mauretanien drei Städte, die als Ensemble zum Weltkulturerbe gehören. Oudane, gesprochen Wadane, Chinguetti und eine dritte, deren Namen ich vergessen habe. Alle wurden vor circa 1000 Jahren gegründet, besitzen eine Alt- und eine Neustadt und liegen auf den ehemaligen Handelsrouten durch die Sahara. Über Stock und Stein tuckern wir zunächst nach Oudane.
Buschtaxis, im Landesinneren Mauretaniens üblicherweise uralte Mercedes Kleinbusse, fahren vom Busbahnhof eines jeden Ortes zum nächsten und zwar regelmäßig, aber immer nur dann, wenn sie voll sind. Der Begriff voll wird in diesem Land wie überall in Afrika natürlich als brechend voll ausgelegt. Deshalb sind Fahrzeugzusammenbrüche auch keine Seltenheit. Angesichts des geringen Verkehrsaufkommens sind zudem lange Wartezeiten für diese Todesritter einzuplanen. Man lebt dann umso länger. Unser Fahrer allerdings ist die Ruhe in Person, so dass wir sogar noch 90 Minuten Zeit haben, bevor wir die Altstadt von Oudane unter die Lupe nehmen. Eine gute Gelegenheit, um mal wieder den Sand aus allen möglichen Kleidungsstücken heraus zu klopfen.
Dann geht es los. Die alte Karawanenstadt liegt ockerfarben-malerisch oberhalb eines grünen Palmenbandes an einem Talhang. In ihrer Blütezeit trafen sich hier die wichtigsten Karawanenrouten. Salz und Datteln der Sahara wurden gegen das Gold der Sudanländer eingetauscht. Heute findet dergleichen nicht mehr statt, das einzige was getauscht wird, sind gute Wünsche. Das allerdings ziemlich lange, denn man fragt nicht nur nach dem Wohlbefinden der lieben Verwandtschaft, sondern auch nach dem Zustand von Ziege, Esel und Kamel. Und hier und da ein paar Souvenirs. Es sind in der Regel die Damen, die hier jeden Schnickschnack verkaufen, meist aber darauf sitzen bleiben, da sie zwar resolut sind, aber Handelsgeschick durch Sturheit beim Preis ersetzen. Tücher, Ringe, bemalte Teekannen und manches mehr soll den Besitzer wechseln. Betonung auf soll, denn die Preisvorstellungen sind utopisch. Und dabei ist noch gar nicht eingerechnet, dass manche noch eine Null dranhängen, da sie die letzte Währungsreform von vor drei Jahren geflissentlich ignorieren.
Der Abend ist trostlos, ich liege im Bett, habe kein Netz und schreibe den Blog. So gemütlich zusammensitzen ist nach den Vorkommnissen von gestern ebenfalls erst mal passee. Denn der Mauretanier geht früh zu Bett und lässt sich von doofen Touristen auch nicht davon abbringen. Erstmals ist es auch nachts nicht kalt, sondern irgendwie drückend. Mein Zimmernachbar scheint irgendwelche Wasserspiele zu veranstalten oder alle 15 Minuten die Dusche zu beglücken. Jedenfalls ist es mit dem Schlaf nicht allzu weit gekommen, so dass ich übernächtigt die Dünenwanderung In Angriff nehmen.
Es weht ein frischer Wind, als wir uns früh morgens auf dem Weg nach Chinguetti machen. Immerhin besser als die drückende Hitze und trotz der und spektakulären Landschaft mit ein paar kleineren Highlights versehen. Nomadengräber oder eine weitere Oase, in der sich eine landwirtschaftliche Cooperative befindet. Sogar eine Schule findet sich dort, und es sind wieder die Kids, die sich am meisten über die fremden aus dem Abend Land freuen. Was neben Schilfhütten sonst noch auffällt, sind die bunten Wellblechhütten. Wobei das bunte der Mineralölindustrie geschuldet ist. Rot von Esso, Grün von BP, blau von elf und weiß von Castrol. Erst dachte ich, das ist die Dorfdisko, dann erinnert mich das irgendwie an die ehemalige Hessol-Tankstelle mitten im Schloggebach.
In einer der größeren Hütten wird Tee serviert, wobei die Tee-Mutti den Serviervorgang in die Länge perfektioniert hat, dass der Hals schon dermaßen trocken war, so dass der wiederum megagezuckerte Tee dann später sprichwörtlich im Halse stecken blieb. Immerhin erfahre ich, dass der bisher geschlürfte Tee gar nicht hätte serviert werden dürfen. Denn das ist hier traditionell die Aufgabe der Muttis.
Kilometer um Kilometer surfen wir wie auf einem Wasserbett durch die Wüste. Bleiben mal im tiefen Sand stecken und wühlen uns mal mühsam, mal einfacher wieder raus. Kurz vor dem heutigen Ziel machen wir noch einen Stopp in einem Oasendorf. Neue Steinhäuser und eine schicke Moschee weisen darauf hin, dass dies erst kürzlich entstand. Doch binnen kurzer Zeit haben die Sandwinde die ersten Häuser bereits meterhoch wieder verweht. Ein ewiges Szenario von Aufbau und vom Winde bzw. Sande verweht. Doch die vergleichsweise leicht erreichbaren Wasserquellen lassen diesen für uns unwirtlichen Ort zu einem florierenden Schmuckstück für die hiesige Bevölkerung werden.
Und dann liegt sie vor uns: die Altstadt der Gelehrten- und Karawanenstadt Chinguetti – das Timbuktu Mauretaniens. So jedenfalls der Werbeslogan, die Realität sieht freilich etwas anders aus. Die Neustadt mit ihren weiträumig in Geschäften besitzt sogar ein Café, in der man eine kühle Fanta genießen kann. Oder Cola, aber sonst auch nichts – leider. Auf den Straßen sieht man nur wenige Personen. Dafür aber sehr viele Kids, die auf einem Esel reitend die Touristen bestaunen oder umgekehrt. Die Altstadt ist das eigentliche Weltkulturerbe. Denn in den sandgefüllten Gassen fallen mir schnell Hinweisschilder auf, die auf kleine Museen hinweisen. In mehreren der alten Häuser bewahren die alteingesessenen Familien wahre Schätze an teilweise spätmittelalterlichen Manuskripten auf. Doch dazu morgen mehr.
P.S.: Meine Hütte in der Wüste vor Chinguetti hat ein begehbares Dach, was auch für die Nachbarn zugänglich ist. Allerdings mit dem Nachteil, dass dann der Putz von der Decke fällt. Wer da zeitgleich mit offenem Mund gerade ein Päuschen auf dem Bett macht, kann sich den Gang zum Mittagessen sparen.
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