
Samstag, 29. Mai – Swakopmund/Sossusvlei
Eigentlich müsste ich mit der deutschesten aller deutschen Städte beginnen, nämlich Swakopmund an der namibischen Atlantikküste. Aber das verschiebe ich auf später. Denn nach einer rund fünfstündigen unspektakulären Fahrt mit einem Stop zum Best in Town Apfelkuchen Essen hatte ich kurzfristig ein Highlight ergattert. Wobei die Town aus drei Häusern besteht und die einzige Bäckerei es natürlich einfach hat, best in town zu sein.
Denn kaum angekommen ging es zum Flugplatz um mit einer Cessna einen zweienhalbstündigen Rundflug über die Namib zu starten. Dabei legt der eher alte Vogel 630 km Flugstrecke durch über der Namib Sandstürme und starke Winde zurück. Das Innere des Fliegers lässt nicht gerade auf eine High-Tech Ausstattung schließen, aber der Pilot ist noch jung und will auch sicherlich noch einiges erleben. Zumindest hatte er vor heute noch einen Pub aufzusuchen. Und so geht es in Abwandlung der im Vergleich zur Cessna ebenso alten Schnulze von Reinhard Mey los: Über den namibischen Wolken, da wo die Freiheit noch grenzenlos ist…
Ich habe das eigentlich nur einmal gemacht, nämlich in Guayana zwei Stunden in den Amazonas zu den Kaieteur Wasserfällen zu fliegen, aber den Marketingkonzept der hiesigen Rundflugveranstalter konnte ich mich dann doch nicht entziehen und ums vorweg zu nehmen, es hat sich auch gelohnt.
Im Sechssitzer hat man den freien Blick nicht nur nach außen, sondern auch auf die Instrumente. Wenn man die denn lesen kann. So geht es in 300 Metern Flughöhe über das trockene Kuiseb Flussbett, die Gobabeb Wüstenstation, Dünenformationen und die Wanderdünen bei Sossusvlei. Der Rückflug führt entlang der Verbotenen Küste am Atlantik entlang.
Los geht’s und die Ohrstöpsel lehne ich dankend ab. Der Motor beginnt zu knattern und die gesamte Karosserie der betagten Cessna vibriert, bevor diese über die einzige Standpiste zum Start rollt. Auf die Startfreigabe des Towers müssen wir auch nicht warten, denn es gibt keinen Tower. Gegenverkehr ist auch nicht zu erwarten, den die Air Namibia ist seit kurzem bankrott und sonst fliegt hier niemand im Umkreis von 1000 km.
Die einzige Erklärung beinhaltet den Gebrauch der Kotztüten und den Hinweis bitte nicht während des Fluges die Tür zu öffnen. Bei letzterem würde der Pilot Amok laufen, wobei ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie das in dem engen Vogel funktionieren soll. Mit der Tüte ist das schon eine andere Sache, denn Flüge über Wüstengebiet sind dank starker Winde und unzähliger Luftlöcher immer ein Achterbahnvergnügen, das ich aber noch nie gefürchtet habe. Zudem ist das Wetter grundsätzlich für den Flug perfekt. Ich bin ehrlicherweise ohnehin damit zufrieden, dass die Maschine fliegt und mache mir ansonsten mangels eigener Kenntnisse keine weiteren Gedanken.
Wie bereits erwähnt fliegen wir am ausgetrockneten Kuiseb Flussbett entlang. Das ist die natürliche Grenze zu den roten Sanddünen der Namib. Die Entscheidung zwischen einfach nur geniessen und fotografieren ist aus einer Cessna auch so eine Herausforderung. Man muss schon sehr wendig sein um auf einem Mittelplatz gute Motive zu finden. Zumal das erwähnte schaukeln, die Manöver des Piloten und das plötzliche Abwärts im Luftloch nicht nur die Kamera fordern, sondern mit auch blaue Flecke bescheren.
Nach rund einer Stunde ist dann auch das Foto dran, auf das ich hingefiebert habe. Die Aufnahme des gestern bestiegenen Sossusvlei und des Todestals mit den ausgetrockneten Kamelhaarbäumen. Von oben ist das alles noch viel spektakulärer als unten.
Nach dem Sossusvlei fliegen wir in Richtung Süden und langsam geht der Sand der Namib von rot wieder in ein leuchtendes gelb über. Dabei kommen wir auch an einigen der verlassenen Ghosttowns vorbei. Diese finden sich nördlich und südlich von Lüderitz, insbesondere dem sogenannten Diamantensperrgebiet. Dann nehmen wir Kurs auf den Atlantik, wo Wüste und Ozean direkt aufeinander treffen.
Hier zeigt unser Pilot sein Können. In der Vertikalen fliegen wir bis 60 Meter über Grund, um die Küste in allen Facetten kennen zu lernen. Und davon gibt es viele. Entlang der sandigen Küste finden sich viele Schiffswracks. Besonders gefürchtet von Seefahrern ist die Skeleton Coast, die schon einige Wracks gesehen hat. Und da die Schiffe auch nicht mal so im gelben Sack zu entsorgen sind, ist der Friedhof aus der Lift gut zu erkennen. Eines der Wracks heißt Eduard Bohlen und laut Pilot mit Dieter Bohlen nicht weiter verwandt.
Den wenn auch atemberaubenden Rest entlang der Long Wall, der Grenze zwischen teils 100 Meter hohen Dünen und dem Atlantik spare ich mir im Blog. Man erkennt aber gut, dass hier kein Strandleben a la Malle oder Bulle möglich ist. Dafür hat man auf 100 Kilometern Länge eine einzige Rutsche ins Wasser. Strandgäste gibt es allerdings doch: nämlich unzählige Schwärme von Flamingos über den Lagunen.
Am Abend geht’s in Kückis Pub in Swakopmund. Dort treffe ich Rolf, der in der vierten Generation hier wohnt und dessen Vorfahren aus der Kolonialzeit hiergeblieben sind. Auch wenn er noch nie in Deutschland war, sein Slang ist hanseatisch und sein Durst auch. Die Gedecke sind ohnehin einheitlich. Ein großes Hansa Bier und ein eiskalter Jägermeister. Rolf erzählt von seinen Trips nach Angola, die Dorfjugend besäuft sich bei einem Spiel, wo Tischtennis-grosse Bälle den Weg in einen mit Alkohol gefüllten Becher finden sollen und der Wirt wirft uns trotz Karenzzeit zur Ausgangssperre raus.
P.S. Beim Flug haben wir die Rostock-Berge überflogen. Die heißen wirklich so, auch wenn Rostock noch nie einen Berg gesehen hat. Zu Kaisers Zeiten übermittelte ein Beamter statt Roter Berge einfach Rostock-Berge. Und was ein preußischer Beamter telegrafiert kann ja nicht falsch sein. Also fahren die Namibier bis heute dorthin, wo die Rostocker niemals zu Hause hinkommen: in die Berge. Lg an H1
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