Vogelscheissstadt

Sonntag, 30. Mai – Swakopmund/Erongo

Heute also Swakopmund. Außer dem nächtlichen Bummel und dem Flug über die Stadt hatte ich noch nicht allzuviel gesehen. Da es erst am Nachmittag weiter geht, düse ich den Vormittag durch Stadt und Strand. Ein erster Stopp im Café Stadtmitte gibt einen Vorgeschmack auf das, was mich erwartet. Ein nachempfundenes Starbuckslogo mit der Aufschrift Stadtmitte erinnert nicht etwa an ein Café in Berlin sondern eine Stadt mit ausgeprägtem deutschen Hintergrund.

Swakopmund klingt allerdings im Gegensatz zu Lüderitz weiter südlich alles andere als deutsch. Der Name leitet sich nämlich vom Fluss Swakop ab, was soviel heißt wie Vogelscheisse. Kein Witz, der Fluss spült Exkremente an. Insofern befinde ich mich jetzt im namibischen Starbucks von Vogelscheissstadt.

Im Café werde ich begrüßt wie überall. Guten Morgen, guten Abend – hier spricht man deutsch bis zum Abwinken. Auf die Idee, dass ich vielleicht aus Frankreich, Holland oder von sonst wo aus dem nicht deutschsprachigen Europa stamme, kommt natürlich niemand. Im Café sitzt Reinhold. Im Gegensatz zu Rolf von gestern Abend ist er erst nach der Kolonialzeit, nämlich Ende der 50er Jahre nach Swakopmund gezogen. Damals noch ein Abenteuer seines gleichen. Vier oder fünf Zwischenlandungen mit dem Flugzeug brauchte es, um Namibia zu erreichen. Ich flog vor einer Woche Nonstop.

Und Reinhold erzählt über die Stadt, die als Hafen der Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1892 gegründet wurde. Die bessere Hafenlage war nämlich in Walvis Bay, das hatten sich aber bereits die Engländer unter den Nagel gerissen. Der Stadtkern ist übersät mit kolonialen Gebäuden im Kaiser Wilhelm-Stil. Und die wenigen Namibier deutscher Abstammung prägen noch immer die Innenstadt, ganz zu schweigen von den Einfamilienhäusern im Stil der 70er. Ist wie ein Streifzug durch deutsche Vorortsiedlungen. Fehlt nur noch der Aldi.

Alle Sehenswürdigkeiten, vom alten Bahnhof über das alte Amtsgericht, dem Bootsanleger und der alten Pionierfestung und dem historischen Hohenzollernhaus im Stil des Neobarock. Hier gibt es noch die Bismarckstraße und die Swakopmunder Buchhandlung, die kaiserliche Apotheke, die Hotels Kaiserhof und Zum Anker und einen Laden mit schwarz-weiß-rot Devotionalien, also Nippes aus der Kaiserzeit. An verschiedenen Häusern hängt auch noch ein Schild Kaiser-Wilhelm-Straße Nr. Xyz. Zwar musste Preussens Wilhelm dem ersten namibischen Staatspräsidenten auf dem Straßenschild weichen, aber das interessiert hier noch lange nicht jeden.

Direkt am Strand kann man fast das Gefühl haben, irgendwo an der Nordsee zu sein. Da kriecht der Nebel über die Strandpromenade, im Brauhaus werden deutsche Küche und deutsches Weizenbier serviert. Nur im Lighthouse hat die argentinische Kultur Einzug gehalten, hier brutzeln Steaks bis zu 800g in der Pfanne. Na denn guten Appetit. In der Nähe des Leuchtturms treffe ich auf den kleinen Kunstmarkt mit megacoolen Wallpaintings, ein Paradies für Souvenirjäger. Die Aufdringlichkeit der Verkäufer hält sich trotz aller Warnungen in Grenzen. Man wird nach seinem Namen gefragt und wundert sich, dass einem wenig später bemalte Nüsse mit eben genau diesem Namen drauf angeboten werden. Allerdings übertreibens die schwarzafrikanischen Händler dann doch etwas mit der Deutschtümelei. Einer stellt sich als Uwe vor, der andere als Thomas. Bestimmt nach Uwe Seeler und Thomas Müller benannt.

Weiter geht es in das Erongo-Gebirge vorbei an der 1700 Meter hohen Spitzkoppe. Nicht zu verwechseln mit der tschechischen Schneekoppe, zumal nach der namibischen Variante auch kein Käse benannt ist. Die gibt es viele Granitfelsen und Händler, die Felssteine aus den nahen Granitminen in allen Größen und Farbschattierungen anbieten. Die Straße schlängelt sich weiter durch die sogenannte Mondlandschaft. Der Asphalt wechselt zu Salz, was dem Fahrkomfort aber keine Abstriche macht. Jedenfalls nicht bei den heutigen Temperaturen. Ansonsten kann man angeblich auch schon mal bei einer gewissen witterungsbedingten Gemengelage drauf Seifenkistenrennen laufen.

Hier befinden sich auch die Stämme der San, also Buschleute in allerdings nicht ursprünglicher Umgebung. Da wir morgen ins Land der Danara und Himba kommen und nach Lage der Dinge auch dort einen Besuch abstatten, fasse ich mich heute kurz. Die Himbi-Frauen haben ohnehin mehr zu bieten als die San-Ladies. Da der Blog mit Exkrementen begann, endet er auch mit solchen. Die Erongo-Berge fallen durch größere und kleinere weiße Streifen an den Bergwänden auf. Sieht aus der Ferne wie kleine Wasserfälle aus. Sind aber keine. Sondern das ist jetzt der Urin der hier lebenden Klippschliefer. Das wiederum ist kein neuer namibischer Stamm, sondern eine Art Murmeltiere.

P.S. In einem Namibia Shop lerne ich die so genannte Klicksprache. In den lokalen Dialekten wird die Sprache um Schnalzlaute bereichert. Hier liegt „Liebe“ und „Tod“ nur ein men Klick entfernt, scherzt die Verkäuferin. Als ich dann das Wort Liebe klicken, sprich lokal aussprechen soll, ich mich aber verklicke, lacht der ganze Raum. Habe ihr wohl statt der erwarteten Liebeserklärung eine Morddrohung geschnalzt. Lg an H1

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