Stammtisch

Montag, 31.Mai – Erongo / Damara

San, Herero, Damara, Himba – das sind die ethnischen Stämme, denen wir heute begegnen. Zwölf Stunden im Bus mit vielen Stops bei den so genannten Buschleuten, die allerdings nicht ansatzweise so authentisch sind wie in Kamerun, dem Niger oder Mali. Namibia eben nicht Zentralafrika, hier geht der Buschmann nicht mit dem Speer auf den Markt, sondern mit dem Einkaufswagen in den Supermarkt.

Wir nähern uns dem San-Dorf Grashoek. Ich sehe Ein paar Touris, die aus den Bussen heraus die Einheimischen fotografieren, denn die Buschmänner gehören zu den versprochenen Highlights ihrer Rundreise. Die so fotografierten selbst nennen sich San oder mit dem Namen ihrer Sprachgruppe Ju’hoansi. Dementsprechend heißt ein Schild die Besucher willkommen: „Welcome to the Ju’hoansi Living Museum“.

Richtig gelesen, ein Museum. Manche erwarten sich ein Aufeinandertreffen mit einem wie in alten Zeiten lebenden Jäger und Sammler-Volk. Doch die folgende Begegnung hat wenig damit gemeinsam, sie ist lediglich ein neues Szenario im Kultur-Tourismus. Keine anstürmenden Kinderscharen, keine laufenden Frauen, die aufgeregt Handwerkskunst anbieten und auch keine jungen Männer, die gegen ein paar Dollar als Fotomotive posieren. Es gibt zwar eine kleine Besichtigung des Dorfes mit nachgestellten Jagdszenen, dem entfachen eines Feuers und zwei Tänzen – einmal den Giraffentanz und danach was zum Erntedank. Aber ich könnte hier auch einen Kurz-Workshop zur Schmuckproduktion aus Straußeneischalen, dem Training im Bogenschießen, der Teilnahme an einer traditionellen Jagd und letztlich der Verheiratung auf „Bushmen-Art“ buchen. Alles ist möglich. Jede Aktivität hat ihren fixen Preis und es gibt genaue Angaben über die Dauer und Art der Leistung.

Nicht viel anders läuft das touristische Kulturprogramm – oder „Ethnotainment“ bei den berühmten Himba – oftmals als Namibias Ockermenschen bezeichnet oder den Damara ab. Der Besuch von Lebenden Museen oder sogenannten Kulturdörfern gehört zum festen Bestandteil einer Namibiareise wie die Besichtigung der Namib-Wüste oder des Etosha Nationalparks. Hier wird traditionelle Kultur als authentisch und zumeist steinzeitalt dargestellt.

Das Gegenteil aber ist der Fall: das Ganze ist eine einzige Choreographie und gute Einkommensquelle. Neben dem Eintritt werden die handwerklich hergestellten Schnitzereien und Basteleien für gutes Geld verkauft. Den Quittungsblock mit Kohlepapier inklusive.

Egal – jetzt weiß ich jedenfalls wie man mit einer vergifteten Pfeilspitze eine Antilope jagt und die Damara-Oma bastelt aus den umliegenden Kräutern Medizinisches gegen alles von Schwangerschaftsproblemen bis zum Durchfall. Vermutlich gibt’s das bei den San auch – nur heißt die San-Oma dann Sanitäter oder so.

Die besten sind ohne hin die Himba-Frauen. Ein Merkmal der Truppe ist das Fehlen der unteren vier Schneidezähne, die in jungen Jahren herausgebrochen werden. Mit einem speziellen Holzstück werden diese ohne Narkose mal fix entfernt , wobei im Anschluss die Blätter des benachbarten Baumes zu Schmerzstillung verwendet werden. Wenn’s denn hilft …

Später kann man die Frauen an den Halsbändern unterscheiden. Weiß heißt Jungfrau, braun bedeutet schon vergeben. Hängen zudem noch Muscheln dran, ist es besser Abstand zu halten. Highlight ist die Frisur und die mit Ocker eingeriebenen Flechten. Da kommen die anderen Ethnien nicht mit. Lediglich bei den Damara hat eine junge Frau einen coolen Schnitt a la Sturmfrisur. Welcher Buschfrisör da wohl am Werk war? Ich werde es nie herausfinden.

Zurück zu den San. Deren Vorfahren gelten als Schöpfer vieler Felsbilder und Zeichnungen, welche einen wirklichen Einblick in die Geschichte geben können. Darstellungen wie der Kampf gegen Eindringlinge, bei der Jagd oder mythische Rituale kann ich im Weltkulturerbe Twyfelfontein beobachten. Highlight ist ein Löwe mit einem schicken eckigen Schwanz. Wenn’s denn vor 6000 Jahren wirklich so war. Der Guide meint allerdings, dass der Buschmann wohl in Trance war, weil der Schwanz dreimal so lang wie der Löwe ist. Trance kann natürlich auch blau bedeuten, denn bei Buschmanns wurde schon immer gerne einer gezwitschert.

Den majestätischstem Stamm sehe ich nur kurz. Die Herero-Damen sind die einzigen, die einen Klamottenladen schon einmal von innen gesehen haben. Inklusive eines Surfbrett-artigen Hutes, der der Begegnung nochmals ein ganz besonderes Flair verleiht. Die verkaufen zwar auch nur Standard, aber mit dem Verkauf selbst ist ein Fotoshooting verbunden. Dass ich mir hierzu die Schönste ausgesucht habe versteht sich von selbst.

P.S. Heute ist von vielen Damen die Rede. Den Vogel aber schossen die Vierbeiner ab. Kurz vor dem Abend taucht wie aus dem nichts eine Elefantenherde auf. Alle Objektive drehen sich nur noch um die Dickhäuter. Es sind Wüstenelefanten, die direkt an der Straße grasen. Auf geht’s: Heja Safari!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Bloggen auf WordPress.com.

%d Bloggern gefällt das: